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Deutschlands wirtschaftliche Stärke hängt von der Innovationskraft der Unternehmen ab. Doch die zögerliche Digitalisierung und nun die Corona-Pandemie lassen die Innovationsfähigkeit in Deutschland sinken. Ein Plädoyer für etwas mehr Begeisterung!
Axel Novak / Redaktion
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Dieses erhellende Sprichwort setzt WBT-Industrie Elektromechanische Produkte allerdings außer Kraft: Das Unternehmen aus Essen vergoldet nämlich Kontakte und Steckverbindungen. Und weil es dabei den Wirkungsgrad bei der Vergoldung von 20 auf 80 Prozent gehievt hat, ist das Unternehmen mit dem Deutschen Innovationspreis 2021 in der Kategorie Mittelständisches Unternehmen ausgezeichnet worden.
Der Preis, den Accenture, EnBW und die WirtschaftsWoche gemeinsam vergeben, will Produkte und Technologien auszeichnen, die die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland hervorheben. WBT, Bosch Rexroth oder HHLA Sky – so die drei diesjährigen Preisträger – stellen tolle Ideen vor, die digitale Techniken mit qualitativ hochwertigen Leistungen verbinden: Bosch Rexroth verknüpft mit einem neuen Software- und Engineering-Ansatz Automatisierung, IT-Technologie und das Internet of Things (IoT) auf einer Plattform. HHLA Sky konzipiert ein Steuerungssystem, um mehrere Drohnen gleichzeitig zu überwachen. Allen drei Preisträgern gemein ist: Sie sind hoch digitalisiert. Sie sind erfolgreich. Und sie stehen für die Innovationskraft ihrer Branchen.
Längst ist klar: Dank solcher Innovation ist Deutschland verhältnismäßig gut durch die jüngste Krise gekommen. Der Exportmotor ist wieder angesprungen: In den vergangenen zwölf Monaten konnten die deutschen Exporteure ihre Ausfuhren kontinuierlich steigern. Und was die Innovationen angeht, sieht es gut aus: Der österreichische Ökonom Josef Schumpeter, der Urvater der Innovationstheorie, verstand unter einer Innovation die Durchsetzung einer „neuen technischen, organisatorischen oder marktlichen Lösung“. Entscheidend war ihm also nicht nur das Erfinden, sondern dass sich das Neue auch am Markt bewährt. Deshalb ist die Industrie hier zu Lande mit ihren guten Erfolgszahlen vermutlich hoch innovativ. Doch mittlerweile gibt es Anzeichen dafür, dass die guten Zahlen nur begrenzt mit Innovationstärke zu tun haben. Sondern eher mit einer Aufholjagd nach vielen Monaten wirtschaftlichen Stillstands.
Denn tatsächlich ist die Innovationsfähigkeit in Deutschland zurückgegangen. Seit rund 15 Jahren sinkt die Anzahl der innovativen Unternehmen im Mittelstand, mahnt der Mittelstandsbericht der KfW vom Juni 2021. „Innovationstätigkeit konzentriert sich immer stärker auf eher größere und auf weniger Unternehmen“, sagt KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib. „Innovationen sind dabei wichtig für die Positionierung von Deutschland im internationalen Wettbewerb und damit für Wachstum und Wohlstand in der Zukunft.“ Den Abbau hat die Corona-Pandemie noch verstärkt. Schon 2019 hatte sich die Konjunktur etwas abgeschwächt – vor der Pandemie. Nach einem kurzen Innovationsschub zu Beginn der Pandemie haben Mittelständler anschließend ihre Innovationsaktivitäten weiter gesenkt, so der KfW-Bericht.
Auch der Innovationsatlas, den Forscher von IW Consult für die Bertelsmann-Stiftung erarbeitet haben, zeigt: Jede zweite – vor allem kleine und mittelständische – Firma treibt Innovationen nicht aktiv voran. Es fehlt an Risikobereitschaft und einer Innovationskultur, die Mitarbeitende ermutigt, heißt es. Das hat langfristig Konsequenzen: Denn in den innovationsfernen KMU arbeiten knapp 58 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland. „Unsere Studie zeigt, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen gezielt in ihre Innovationsfähigkeit und die digitale Transformation investieren müssen. Bleibt dies aus, könnten hunderte Unternehmen und tausende Arbeitnehmer ins Abseits rutschen, wenn sich die Wettbewerbsbedingungen durch fortschreitende Digitalisierung und neue Wettbewerber verändern", so Armando Garcia Schmidt von der Bertelsmann-Stiftung.
Aber sind wir nicht längst digital unterwegs? Haben wir nicht unsere Arbeitsplätze aus den Büros nach Hause verlagert – und dank cleverer IT-Lösungen die Effizienz unserer Tätigkeiten sogar noch erhöht? Wachsen nicht sogar schon unsere Kinder in einem digitalen Umfeld auf, das Kreativität und Digitalisierung für Innovation miteinander verbindet? Doch leider ist auch die Digitalisierung längst ins Schleppen geraten. Denn digitaler Wandel bedeutet weit mehr als die Einrichtung von Home-Office-Arbeitsplätzen. Er betrifft das gesamte Unternehmen und sorgt dafür, dass sämtliche Abläufe und Prozesse schrittweise in digitale Abläufe überführt oder vollständig neu angegangen werden. Der Digital-Readiness-Index des IT-riesen Cisco misst den digitalen Reifegrad im internationalen Vergleich. Unter gut 140 Staaten rutscht Deutschland zuletzt von Rang sechs auf Platz 14. Einen hohen digitalen Reifegrad haben digitalisierte Unternehmen, die Prozesse und Produkte virtuell abbilden können, teilautonome oder autonome Systeme verwenden oder datenbasierte Geschäftsmodelle betreiben. Sie sind deutlich innovativer als bloß computerisierte Unternehmen, die das Internet allein zur Unterstützung oder Gestaltung ihrer Geschäftsprozesse nutzen.
Es gibt ein paar Faktoren, die den Mittelstand daran hindern, digitaler und innovativer zu werden. Zum einen ganz banal das Geld. Viele Unternehmen kämpfen um ihre Marktanteile oder einfach ums Überleben und fahren Budgets für die Digitalisierung zurück. Denn, zweitens, viele Manager:innen schätzen die Kosten für die Digitalisierung als zu hoch und zu wenig relevant in ihrer Branche ein. Die Kosten-Nutzen-Relation und der Gesamtwert potenzieller Einsatzszenarien ist in Deutschland vielen noch nicht klar genug, hat der Computer-Konzern Cisco in einer Studie zum digitalen Reifegrad deutscher KMU festgestellt. Daher auch die dritte große Hürde auf dem Weg zum digitalen Wandel: Fehlendes digitales Mindset und Commitment des Managements.
Hinzu kommt ein altbekanntes Problem: Fehlende Fachkräfte und fehlende IT-Kenntnisse hemmen die Digitalisierungsaktivitäten vieler Unternehmen. Sicher: Statt selber zu forschen, gehen viele Mittelständler mittlerweile Kooperationen mit Hochschulen ein oder arbeiten mit Startups zusammen. Doch zugleich vergessen viele Unternehmen die wichtigsten Innovatoren: Ihre eigenen Beschäftigten. Statt stärker zu qualifizieren, haben fast 40 Prozent der KMU ihre Weiterbildungsaktivitäten 2020 reduziert – die Hälfte sogar ganz eingestellt, so eine aktuelle Sonderbefragung für das KfW-Mittelstandspanel.
Politisch lassen sich die Innovationsfähigkeit und der Mindset eines Unternehmens nicht lenken, sondern höchstens durch Anreize fördern. Politisches Handeln kann aber Unternehmen unterstützen und motivieren. Mit einfachen Dingen wie einer digitalen Infrastruktur, einer Qualifizierungsoffensive. Oder einfach ein bisschen mehr Begeisterung. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat das im März dieses Jahres vorgemacht. Mit der Kampagne „Deutschland kann digital!“ sammelt er Positionen, Forderungen und Erfolgsgeschichten – und begeistert sich selbst dafür. „Egal ob bei der KI-Lösung für eine kleine Bäckerei-Kette oder der digitalen Software für das Bauunternehmen, deutsche Mittelständler beweisen jeden Tag ihre Innovationsstärke, die uns mit digitalen Lösungen besser durch die Krise bringt“, sagt BVMW Bundesgeschäftsführer Markus Jerger. „Wir sind Zeugen einer unglaublichen Kreativität der deutschen Wirtschaft.“
Wenn diese Begeisterung jetzt noch ansteckender wäre, dann müsste man sich um den Mittelstand, um die deutsche Wirtschaft keine Sorgen machen.
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