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Geopolitik und KMUs

„Resilienz gibt es nicht umsonst“

Weltkarte mit leuchtenden Konturen

Wie gehen KMUs am besten mit den Auswirkungen geopolitischer Spannungen um? Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG in Deutschland, und Dr. Benedikt Herles, Co-Lead des Kompetenzzentrums für Geopolitik und Defense bei KPMG, geben Tipps.

Herr Glunz, Herr Herles, wie viel Außenpolitiker müssen Top-Führungskräfte in KMUs inzwischen sein?
Andreas Glunz: Die Führungskräfte in KMUs waren schon immer politisch interessiert und engagiert, haben sich dabei aber primär auf Deutschland fokussiert. Jedoch hat die Bedeutung internationaler Entwicklungen auf das Geschäft von KMUs in den letzten Jahren drastisch zugenommen, sowohl im deutschen Heimatmarkt als auch hinsichtlich deren globalen Aktivitäten. Ursächlich hierfür sind die vielen geopolitisch induzierten Disruptionen. So hat beispielsweise der Krieg Russlands gegen die Ukraine das Russlandgeschäft vieler deutscher KMUs komplett kollabieren lassen – einschließlich kompletter Abschreibungen der Beteiligungen, Geschäftswerte, Vermögensgegenstände und Forderungen. Da geopolitische Störfälle immer häufiger auftreten und in der global vernetzten Welt immer größere Auswirkungen haben, findet sich Geopolitik heute regelmäßig auf der Agenda von C-Level-Gremien. Neben der Einschätzung der Risiken auf die eigene Geschäftsaktivität geht es aber auch darum, Disruptionen als Chancen für neue Geschäftsfelder, Märkte oder Kooperationen zu verstehen.
Benedikt Herles: Deutschland hat eine der vernetztesten Volkswirtschaften weltweit. Das gilt für Konzerne und KMUs gleichermaßen. Nicht wenige mittelständische Unternehmen sind global agierende Hidden Champions. Deshalb ist das Thema Geopolitik hochaktuell und sehr relevant. Dabei ist es aus Firmensicht besonders wichtig, das Thema ganzheitlich und zusammen mit allen relevanten Stakeholdern im Unternehmen anzugehen.

Über
Andreas Glunz ist seit mehr als 30 Jahren tätig bei KPMG, seit 2000 als Audit Partner und seit 2015 als Bereichsvorstand International Business bei KPMG in Deutschland. Im International Business hat KPMG die Prüfung und Beratung internationaler Unternehmen in Deutschland sowie deutscher Unternehmen im Ausland gebündelt.

Viele Unternehmen stellen dabei fest, dass sie sich im Prinzip nur durch drei große Handelsräume bewegen: USA, China, Europa. Wie gehen Unternehmen mit diesen drei Klumpenrisiken am besten um?
Glunz: Dies sind die drei größten und kaufkraftstärksten Volkswirtschaften der Welt und zugleich die größten Handelspartner Deutschlands, wobei der Handel deutscher Unternehmen innerhalb der EU circa dreimal so groß ist wie mit den USA und China zusammen. Es ist wirtschaftlich absolut sinnvoll, dass sich deutsche Unternehmen auf diese Märkte fokussiert haben. Um Klumpenrisiken zu mindern, nutzen KMUs heutzutage drei Strategien. Erstens versuchen sie ihre Neu-Investitionen in den drei Märkten USA, China und EU so zu tätigen, dass ihr Engagement gleichgewichtet ist. Zweitens werden die krisenanfälligen globalen Lieferketten möglichst lokalisiert, das heißt Produktion in Europa für den europäischen Absatzmarkt, dasselbe gilt für China und die USA. Drittens versuchen KMUs zunehmend, das Wachstum, für das früher primär der chinesische Markt gesorgt hat, in neuen Märkten zu generieren, etwa in Indien oder Afrika.
Herles: Gerade in den Hauptkorridoren der Weltwirtschaft erleben wir zunehmende geopolitische Dynamik und Disruptionen. US-Zölle sind ein Stichwort, aber es geht um viel mehr. Die Themen reichen von Taiwan bis zu technologischer Souveränität. Alle reden über Resilienz, doch die Kunst ist es, diese konkret zu gestalten. Das beginnt bei der Rohstoffbeschaffung und endet bei der Frage, welche Abnehmer und Märkte sich von wo aus am besten bedienen lassen.

Wie hilft eine fortgeschrittene Digitalisierung der Unternehmensprozesse dabei?
Glunz:Digitalisierung ist Grundvoraussetzung für fundierte und schnelle Entscheidungen, gerade in Krisensituationen, denn nur dann sind detaillierte, konsistente und vollständige Daten über die gesamten Lieferketten verfügbar. Vielen KMUs fehlt es heute aber noch an der erforderlichen Transparenz in ihren Lieferketten.

Inwiefern?
Glunz: Viele KMUs kennen ihre Lieferanten in der zweiten und dritten Reihe nicht. Dahinter verbirgt sich ein enormes Risiko. Wenn Sie beispielsweise auf Lieferanten in Kambodscha oder Thailand ausweichen, um Ihr China-Risiko zu minimieren, hilft Ihnen das nicht, wenn diese Betriebe ihrerseits ihre Vorprodukte aus China beziehen.

Unabhängigkeit ist beim Thema Daten immer relativ zu betrachten.
Dr. Benedikt Herles

Wie lassen sich solche Abhängigkeiten aufdecken?
Herles: Zum Beispiel durch die Analyse von Zolldaten. Wir haben bei KPMG stark in IT-Tools und KI-Systeme investiert, um Kunden dabei zu unterstützen, mehr Transparenz in ihre Lieferketten zu bekommen. Und wenn wir schon beim Thema Daten sind: Wir raten KMUs auch dazu, im Bereich der digitalen Infrastruktur nicht in Abhängigkeiten zu geraten. Kaum etwas ist geopolitisch so brisant wie der Zugang zu Cloud- und KI-Kapazitäten.

Welche Auswege bieten sich KMUs?
Herles: Darauf gibt es keine zu 100 Prozent befriedigende Antwort. Selbst wenn Sie eine deutsche Cloud nutzen, wo kommt denn die Hardware dafür her? Bei manchen Systemkomponenten gibt es zumindest aktuell schlicht keine europäische Alternative. Unabhängigkeit ist beim Thema Daten also immer relativ zu betrachten.

Über
Dr. Benedikt Herles ist Co-Lead des Kompetenzzentrums für Geopolitik und Defense bei KPMG am Standort München und unterstützt Unternehmen bei weltweiten Diversifikations- und Resilienz-Strategien. Der studierte Volkswirt und promovierte Politikwissenschaftler arbeitete zuvor als Gründungsgeschäftsführer eines Corporate-Venture-Capital-Fonds im Bereich Industrietechnologie.

Seltene Erden sind das Paradebeispiel für Rohstoffabhängigkeiten. Wie lassen sie sich mindern?
Herles: Das ist ein heißes Thema. Die im April von Peking verhängten Exportbeschränkungen hatten unmittelbare Folgen für die Weltwirtschaft. In der deutschen Industrie drohten schnell Produktionsausfälle. Die Regierung von Donald Trump musste erkennen, dass China in dem eskalierenden Handelskrieg einen mächtigen Hebel besitzt. Im Juni kam es daher zu einem „Deal“ zwischen den USA und China. China kündigte die Aufhebung der Exportbeschränkungen an. Im Gegenzug erlauben die USA wieder verstärkt den Export von Chip-Technologie. Deutsche Unternehmen sollten sich aus unserer Sicht stärker mit den Ausgangspunkten ihrer Lieferketten befassen. Große Konzerne sind hierfür oft besser aufgestellt. Doch auch KMUs können durch Kooperationen und Allianzen ihre Position stärken.
Glunz: Beim Thema Rohstoffabhängigkeiten braucht es immer einen Mix aus Maßnahmen. Beispielsweise hat Japan seine Abhängigkeit von seltenen Erden aus China über einen Zeitraum von zehn Jahren mithilfe alternativer Bezugsquellen, Forschung nach Ersatzstoffen und besserem Recycling deutlich reduziert.

Bemühungen, die es allesamt nicht kostenlos gibt.
Glunz: Richtig. Resilienz gibt es nicht umsonst. Sie geht immer einher mit steigenden Kosten. Das Ziel ist es daher, ein nachhaltiges, geringeres Gewinnoptimum zu erzielen anstatt eines nur kurzfristigen Gewinnmaximums. 
Herles: Diese Diskussion wird meist nicht offen genug geführt, dabei ist klar: Wenn Unternehmen regional beschaffen, verteuern sich erst ihre Vorprodukte und dann auch die Endprodukte. Das bedeutet inflationären Druck.

Verändert sich in diesem Kontext die Entscheidungsgrundlage, wie lange ein Unternehmen ein Produkt im Portfolio behalten sollte, ehe es den Rotstift ansetzt?
Glunz: Nein, die Entscheidungsgrundlage bleibt der Deckungsbeitrag beziehungsweise die Marge. Wenn die nicht mehr ausreicht, sich mittelfristig nicht verbessern lässt und der Wettbewerbsdruck hoch ist, muss ein Unternehmen handeln.

Gilt das auch für den Rückzug aus ganzen Märkten?
Glunz: Es gibt vielfältige Gründen für ein Engagement in einem Markt. Bleiben wir bei China: Der Markt ist vielleicht nicht mehr der margenstärkste, aber je nach Branche ist er der Markt der Innovationsführer. Deutsche Unternehmen müssen vor Ort sein, um an den Entwicklungen dort zu partizipieren, denn deutsche Unternehmen konkurrieren mit chinesischen Unternehmen nicht nur in China, sondern auf dem Weltmarkt.

Wichtig ist, dass sich KMUs weiter auf den EU-Markt fokussieren und dort investieren.
Andreas Glunz

Womit sollten KMUs bei geopolitischen Themen in ihrer Kommunikation glänzen: Haltung oder Zurückhaltung?
Glunz: Wenn wir auf Deutschland schauen, dann gibt es glücklicherweise viele engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer, die öffentlich Stellung beziehen, ihre Interessen vertreten und zugleich wertgetrieben handeln. In China und mittlerweile leider auch in den USA agieren Unternehmen heute zurückhaltender als in Deutschland. Viele Unternehmen bündeln ihre Interessen und tragen sie über Kammern oder Verbände nach außen.

Welche Ratschläge haben Sie für Entscheiderinnen und Entscheider in KMUs, wie sie mit geopolitischen Herausforderungen umgehen sollen?
Herles: Geopolitische Dynamiken sind oft in erster Linie ein C-Level-Thema, sollten es aber nicht allein sein. Ich rate dazu, alle Abteilungen in entsprechende Strategien miteinzubinden und, zweitens, in Szenarien zu denken und zu planen. Darin sollten auch Situationen vorkommen, die derzeit vielleicht noch als „Schwarze Schwäne“ erscheinen, also unerwartete oder unwahrscheinliche zukünftige Ereignisse Drittens gibt es immer auch Chancen, die neue Ausgangslagen mit sich bringen. Schauen Sie hin, ob sich für Ihr Unternehmen neue Möglichkeiten auftun, beispielsweise im Bereich der Sicherstellung von nationaler Verteidigungsfähigkeit, aber auch bei neuen regionalen Absatz- und Beschaffungsmärkten.
Glunz: KMUs zeichnen sich seit jeher durch ihre nachhaltigen Engagements und langfristigen Pläne aus. Es wäre ein Fehler, jetzt davon abzuweichen. Wichtig ist auch, dass sich deutsche KMUs weiter auf den EU-Markt fokussieren und dort investieren. Dort liegen noch viele ungenutzte Potenziale, vor allem in Ost- und Südeuropa. Deshalb ist es wichtig, dass sich deutsche KMUs für den Abbau der vielfältigen nicht-tarifären Handelshemmnisse innerhalb der EU einsetzen, insbesondere im Dienstleistungssektor.

Vielen Dank für das Gespräch.

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