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KPMG-Partner Sascha Glemser berät Unternehmen seit 17 Jahren zu Performance-Optimierungen. Ein Gespräch über wertsteigernde Investitionen, mutige Entscheidungen und darüber, warum Performance multidimensional betrachtet werden muss.
Herr Glemser, das Marktumfeld deutscher Mittelständler verändert sich je nach Branche schneller als je zuvor. Wie mutig sind die Unternehmen, wenn es um den Umbau ihrer Wertschöpfungsketten geht?
Die derzeitige Situation ist für viele Unternehmen, insbesondere im produzierenden Gewerbe, sehr herausfordernd. Um sinnvolle Veränderungen anzustoßen, benötigen Unternehmerinnen und Unternehmer deshalb zunächst einen gesamtheitlichen Überblick: Geopolitische Einflüsse, neue Wettbewerber und Spannungen in den Lieferketten sind bedeutende Faktoren, die von außen auf das eigene Geschäft aktuell einwirken. Neue Technologien kommen auf den Markt, auf die Mitarbeitende vorbereitet werden müssen, sowie der zunehmende Fachkräftemangel. Mutig sind all jene Unternehmen, die ihr gesamtes Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen und neue Ansätze zur Realisierung des vollen wirtschaftlichen Potenzials ihres Unternehmens identifizieren beziehungsweise realisieren.
Prüfen oder lieber gleich radikal umbauen?
Blinder Aktionismus ist ein schlechter Ratgeber. Wenn wir Unternehmen beraten, ermitteln wir zunächst das volle Potential der aktuellen Organisation hinsichtlich Strategie, Prozesse und Technologie. Danach schauen wir, welche Effizienzsteigerungen mit einer gezielten Organisationsentwicklung gleichsam möglich sind.
Was meinen Sie mit Organisationsentwicklung?
Performancesteigerung funktioniert, anders als vielleicht noch vor ein paar Jahren, nicht mehr linear: Heutzutage können Sie nicht nur an einer „Stellschraube“ drehen, damit Unternehmen performanter werden. Vielmehr muss die Organisation kommende „Zukunftskosten“, beispielsweise aus der Regulatorik, antizipieren und etwa einen Gleichklang zwischen Personalanpassungen und erfolgskritischen Skills sicherstellen.
Was können Unternehmen noch für ihre Zukunftsfähigkeit tun?
Wenn wir auf die klassische Wertschöpfungskette schauen, dann sehe ich großes Potenzial für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in allen Bereichen – von der Entwicklung über den Einkauf bis hin zur Produktion und zum Vertrieb. Wichtig ist, dass all diese Bereiche immer mehr miteinander interagieren, so dass ein stringenter Informationsfluss Ende zu Ende sichergestellt ist. Aber lassen Sie mich hinzufügen: KI ist kein Allheilmittel.
Damit stechen Sie aus der Expertenmenge hervor.
Es geht mir nicht darum, immer noch einen weiteren Einsatzzweck für KI aufzuzeigen, sondern um den konkreten Business-Case dahinter. Die Nutzung von KI muss sich positiv in der Kosten-Bilanzbeziehungsweise im konkreten Wertbeitrag niederschlagen. Und das geschieht am ehesten, wenn gleichsam mit Use-Case-Diskussionen auch Tech-Performance-Diskussionen einher gehen, die ein Unternehmen gut durchdringen und das „Mindset“ jedes Einzelnen schärfen.
Werden KMUs bei KI bald abgehängt?
Nein, sie können oftmals auch mit kleineren Budgets an der technologischen Entwicklung teilhaben, da es viele Förderprogramme rund um den Einsatz von KI in Unternehmen gibt. Ob sich mögliche Investitionen auszahlen, Stichwort: Zukunftskosten, müssen sie allein vom Nutzwert abhängig machen. Wenn KI zum Beispiel den Vertrieb perspektivisch beschleunigt oder die Customer Experience verbessert, ist sie das Geld Wert.
Welche Aspekte müssen Unternehmen also auf ihrer Checkliste haben, um ihre Wertschöpfung zukunftsfähig auszurichten?
Die drei wichtigsten Punkte sind Strategie, Prozesse und Technologie. Führungskräfte dürfen die begleitende Kommunikation aber nicht vergessen.
Inwiefern?
Wenn es um Performance-Maßnahmen geht, sind Unternehmen häufig überrascht, dass wir auch Kommunikation als Erfolgsfaktor aufführen. Es gilt die Regel: Wenn das Management top-down entscheidet und die Beschäftigten nicht an der Zielbilddiskussion beteiligt, werden viele Maßnahmen ins Leere laufen.
Zwei Drittel der vom Handelsblatt Research Institute befragten Führungskräfte sagen, dass sie Neuerungen wertschätzen, selbst wenn sie fehlschlagen. Haben deutsche Entscheider:innen doch noch das Lernen aus Fehlern für sich entdeckt?
Ich würde sagen, der steigende Handlungsdruck führt in fast jeder Branche zu einer gewissen Offenheit für Neuerungen. Alte Skalierungsmechanismen, etwa das reine Wachstum über traditionelle Wachstumsmärkte wie zum Beispiel China, fallen zunehmend aus. Folglich ist jede neue Wachstumsmöglichkeit gern gesehen – und dabei darf es dann auch mal Fehlschläge geben.
Waren deutsche Unternehmen in der Vergangenheit zu erfolgsverwöhnt?
Der Erfolg früherer Jahre hat gelegentlich zum Aufschub echter Veränderungen geführt, ja. Jetzt stehen Unternehmen an einem Punkt, an dem sie schon öfter in ihrer Geschichte waren: Sie müssen sich fragen, wie und auf welchen Märkten sie die Einzigartigkeit ihrer Produkte und Leistungen künftig sichern wollen – ganz nach dem Motto „What´s the next big thing?“. Und dazu gehören dann auch mutige Entscheidungen.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei solchen Entscheidungen? Ist sie weiterhin gefragt, wenn es um die eigene Wertschöpfung geht?
Nachhaltigkeitsstrategien sind vom Prestige-Objekt zum Must-Have geworden. Sie sind aber unverändert wichtig im Hinblick auf Compliance, Regulatorik und Investorenattraktivität. Zudem gewinnen ergänzende Aspekte des Themas an Relevanz.
Welche?
Immer mehr unserer Kunden versuchen, den Wert ihrer Nachhaltigkeitsstrategie abzubilden, Stichwort: Value Creation. Werthaltig sind ja nicht nur Mehrumsätze mit grüneren Produkten, sondern auch lokale Lieferketten, die bei künftigen regulatorischen Anforderungen oder geopolitischen Spannungen Vorteile bieten. Dieser Aspekt kam in der Vergangenheit oft zu kurz.
Vielen Dank für das Gespräch.