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Viele KMUs zögern noch, Künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen – dabei sind die Einstiegshürden längst gesunken. Benedikt Höck von KPMG verrät, wie Unternehmen mit kleinen Budgets große Wirkung erzielen und warum gute Prompts kein Zufall sind.
Herr Höck, mit welchen Fragen kommen Unternehmen typischerweise auf Sie zu, wenn es um KI geht?
Eine Frage, die nicht mehr kommt, ist: „Ist KI für uns relevant?“ Das Thema ist gesetzt. Was Unternehmen beschäftigt, hängt stark von ihrem digitalen Reifegrad ab. Die einen fragen: „Wie fangen wir an?“ Es geht also beispielsweise um Use Cases, Technologie oder Governance. Die anderen haben erste Anwendungsfälle umgesetzt, kämpfen aber mit der Skalierung. Letzteres passiert, wenn ein strukturierter Ansatz fehlt, um KI in mehreren Bereichen entlang von Kompetenzen einzusetzen.
Obwohl sie die Relevanz von KI nicht in Frage stellen, halten rund sechs von zehn KMU-Entscheider:innen die Aufmerksamkeit, die KI bekommt, für (eher) übertrieben. Ist diese Einschätzung richtig oder richtig gefährlich?
Ich glaube, das ist eher Zeugnis einer typischen Trendwahrnehmung: Kurzfristig neigen Menschen dazu, den Einfluss von Trends zu überschätzen, mittelfristig eher zu unterschätzen. KI wird nicht überschätzt, aber sie ist nicht das einzige Thema, mit dem sich Unternehmen beschäftigen – und ebenso wenig die Universallösung für jedes Problem. Daher gilt es die richtige Erwartungshaltung zu haben – dann kann KI heute praktisch jeden Prozess und Arbeitsplatz unterstützen.
Was zeichnet eine gute KI-Strategie aus?
Zunächst ist ein Zielbild nötig. Unternehmen sollten sich fragen: Wie betrifft KI unser Geschäftsmodell, unsere Wertschöpfungskette? Und: Mit welcher Ambition gehen wir das Thema an? Ohne ein Zielbild laufen die anschließenden operativen Maßnahmen ins Leere. KI sollte nicht isoliert, sondern ganzheitlich gedacht werden. Dennoch braucht es einen differenzierten Blickwinkel auf KI-Lösungen.
Welchen?
Sie sollten zwischen KI als Produktivitäts- und KI als Prozessbooster unterscheiden. Copilot oder interne GPTs machen Mitarbeitende an ihrem Arbeitsplatz produktiver und lassen sich auch mit kleinen Budgets schnell einführen. Prozessbooster hingegen greifen tiefer, kosten mehr und liefern größere Mehrwerte: Sie automatisieren Abläufe wie Rechnungsverarbeitung oder personalisierte Vertriebsansprache und müssen in bestehende Systeme integriert werden.
Wie entscheiden Unternehmen, welche KI-Lösungen sie selbst entwickeln und welche sie einkaufen?
Auch hierbei hilft ein klares KI-Zielbild. Mit Standardlösungen lässt sich in der Regel starten, um gerade die Produktivitätsbooster umzusetzen. Leisten die verfügbaren KIs nicht das, was ich benötige, weil mein Geschäft sich hier differenziert, so gilt es, Anwendungen selbst umzusetzen. Doch auf beiden Wegen gilt: Wer zu viele Lösungen einsetzt, riskiert schnell Datensilos.
Wie steht es bei der Einführung von KI um Governance und regulatorische Anforderungen wie den EU AI Act?
Governance ist zentral – von Regulierung, über Datenschutz bis zu neuen Risiken wie Prompt Injection oder Fake-Informationen. Der EU AI Act setzt für KI-Anwendungen einen Rahmen. Die meisten Unternehmen starten mit risikoarmen Anwendungen und bauen dann Schritt-für-Schritt aus. Unabhängig davon erlebe ich Regulierung selten als echten Showstopper auf der KI-Reise.
Strategisch starten – mit klarem Zielbild
Unternehmen sollten sich früh fragen, wo KI im Geschäftsmodell wirkt und welche Ambition sie verfolgen. Ein strategisches Zielbild hilft, operative Maßnahmen sinnvoll auszurichten.
Zwischen Produktivitäts- und Prozessboostern unterscheiden
Produktivitätsbooster wie Co-Pilot oder interne GPTs sind schnell einsetzbar und bringen direkte Entlastung im Arbeitsalltag. Prozessbooster erfordern mehr Struktur, wirken aber tief in Abläufe wie Vertrieb oder Rechnungswesen hinein.
Technologie klug auswählen
Nicht alles muss selbst entwickelt werden. Oft lohnt es sich, auf bestehende Plattformfunktionen zurückzugreifen. Wichtig ist ein klarer Entscheidungsbaum: Was bauen wir selbst, was kaufen wir ein?
Governance und Sicherheit mitdenken
Datenschutz, EU AI Act, Fake-Informationen – Unternehmen sollten frühzeitig ein passendes Rahmenwerk schaffen, das mit der Komplexität wächst.
Mitarbeitende befähigen
KI lebt von der Nutzung. Enablement-Workshops, gute Prompts und praktische Erfahrung sind entscheidend, damit Tools wie Co-Pilot wirklich Wirkung entfalten.
Nicht warten, sondern handeln
Die technologische Entwicklung ist schnell. Unternehmen, die früh starten, erzielen bereits heute messbare Vorteile. „Warten ist keine Option.“
Mut und Ehrlichkeit zeigen
Veränderungen offen kommunizieren, Ängste ernst nehmen und die Organisation aktiv mitnehmen – das schafft Vertrauen und Gestaltungsspielraum.
Und der Mensch? Wie gelingt die organisatorische Verankerung von KI?
Das ist oft die größte Herausforderung. KI lebt von der Nutzung. Unternehmen sollten Mitarbeitende also befähigen, Ängste abbauen und praktische Erfahrung ermöglichen. Gute Prompts sind kein Zufall. Sie erfordern Kontext und Fachwissen.
42 Prozent der Betriebe, die das Handelsblatt Research Institute befragte, werden eigenen Angaben zufolge Personal durch den Einsatz von KI einsparen, 29 Prozent wollen ihre Beschäftigtenzahl halten, ebenso viele erhöhen. Denken zu wenige Unternehmen an Weiterqualifikationen oder ist das Automatisierungspotenzial ungemein höher?
Das ist eine Frage des Blickwinkels. Klar ist: Rollen verändern sich. Repetitive Tätigkeiten werden automatisiert. Ob Unternehmen Personal abbauen oder lieber die Qualität ihrer Leistungen steigern, hängt vom Geschäftsmodell ab. In preissensiblen Märkten könnte die Belegschaft kleiner werden, in anderen potenziell stabil bleiben – mit neuen Aufgaben.
Wie bringen Entscheider:innen die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden und Organisation mit dem noch schnelleren technologischen Fortschritt zusammen? Laufen Zielbilder und Strategien nicht Gefahr, ständig veraltet zu sein?
Strategische Zielbilder und ihre Umsetzung laufen auf unterschiedlichen Zeitachsen. Während das Leitmotiv länger besteht, gilt es bei der Operationalisierung darum, kleine und schnell umsetzbare Maßnahmen zu definieren. Es zahlt sich aus meiner Sicht außerdem aus, sich mit den Roadmaps der großen Technologieanbieter auseinanderzusetzen, damit man als Unternehmen nicht von einem neuen Feature überrascht wird. Wer bei KI noch zweifelt, dem sei gesagt: Warten ist keine Option mehr.
Auch dann nicht, wenn eine vielversprechende Lösung nur wenige Monate entfernt zu sein scheint?
Verschwenden Sie keine Zeit. Sollte das so sein, kümmern Sie sich jetzt um Vorbereitungen, Schulungen oder Governance-Themen. Die Liste ist potenziell lang und je eher sie Grundlagen schaffen, desto früher profitieren Sie davon – persönlich genauso wie organisatorisch.
Die meisten Unternehmen erwarten, dass sich ihre KI-Investitionen nach zwei bis fünf Jahren amortisiert haben. Wie realistisch sind diese Erwartungen?
Je nach Projektumfang dauert die Amortisierung eher kürzer als länger, würde ich sagen. Dennoch lässt sich der monetäre Gewinn aus einzelnen KI-Maßnahmen nur schwer beziffern, da sie selten solitär zum Erfolg führen. Wenn Sie KI einführen, stellen Sie vermutlich auch Prozesse um, verändern Produkte oder Leistungen und erhöhen die Kompetenzen Ihrer Belegschaft.
Welchen Stellenwert haben Datensicherheit und digitale Souveränität bei KMUs, wenn sie KI-Lösungen einführen wollen?
Das Interesse für beide Themenbereiche hat angesichts der geopolitischen Entwicklungen zugenommen. Gerade bei sensiblen Daten – etwa im Gesundheitsbereich – wird oft gefragt, ob sich kleinere KI-Modelle auch on-prem betreiben lassen. Unternehmen arbeiten selbstverständlich mit den Lösungen großer US-Anbieter, doch sie wollen häufiger wissen, wo ihre Daten liegen, wer Zugriff hat und ob es europäische Alternativen gibt. Hier spielen auch in Zukunft europäische Alternativen eine größere Rolle.
Und wie steht es um Nachhaltigkeit in der KI-Nutzung?
Der gesamte ESG-Bereich rund um KI ist ein junges, aber wachsendes Thema. Zwei Beispiele: Beim Energiebedarf steht die Frage im Raum, ob es immer das stärkste KI-Modell sein muss. Unter sozialen und Governance-Aspekten geht es vor allem bei der Bildgenerierung um Fairness und Bias, also das ungewollte Reproduzieren von Klischees oder Vorurteilen.
Das Aufgabenheft für Entscheider:innen ist prall gefüllt. Wie sollten sie jetzt reagieren?
Neugierig sein. Mut haben. Und ehrlich kommunizieren, was KI für das Unternehmen bedeutet. Wer startet – aber sicher –, schafft Grundlagen, befähigt Mitarbeitende und kann gestalten, anstatt nur zu reagieren. Das ist der Schlüssel. Für jede(n) Einzelne(n) geht es darum: KI erlernen und in den eigenen Alltag integrieren.
Vielen Dank für das Gespräch.